Stauden im Garten


Der Helleborus leuchtet aus dem noch trostlosen Beet und tut so, als wäre es nicht ein grauer, windiger und nasskalter Tag Anfang Februar. Selbst wenn außer der kleinen Horde Schneeglöckchen, die sich im Nieselregen dicht zusammenduckt, weiter noch nichts zu sehen ist, verspricht  die weit geöffnete Blüte, dass es bald losgeht. Sie weckt die Ahnung von wärmender Sonne, den ersten Hummelköniginnen auf Nahrungssuche und vielen weiteren Blüten, die sich öffnen wollen. Am Beginn eines neuen Jahres ist der Helleborus oder schwarze Nieswurz zuverlässig immer der erste bunte Fleck in meinem Garten. Bald schon folgen das Fingerkraut , die Küchenschelle und die Akeleien, die dann abgelöst werden von den Jakobsleitern, dem tränenden Herzen und vielen, vielen weiteren im Laufe Frühjahrs, Sommers und Herbstes bis dann der majestätische Eisenhut Anfang November das Ende der Saison verkündet. Zuverlässig sind sie alle. Wie alte Bekannte oder Freunde tauchen sie zu bestimmten Zeiten auf und man freut sich, wenn man sie  begrüßen kann. Stauden markieren Punkte im Jahresverlauf wie Karneval oder St.Martin. Man verbindet bestimmte Daten mit ihnen oder bestimmte Ereignisse. 

Doch auch die Stauden an sich haben ihre Geschichte. Viele von ihnen haben eine jahrhundertelange Historie, die sie von den griechischen Tempeln der Antike über mittelalterliche Klostergärten und königliche Parks bis in unsere Neubausiedlungen führt.

Dabei ist es nicht einmal ganz einfach zu formulieren, was nun eine Staude ist. Wikipedia beispielsweise sagt dazu: „Stauden sind mehrjährige ausdauernde  (… ) krautige Pflanzen, deren oberirdische Pflanzenteile (… ) nicht (oder nur wenig) verholzen, sondern krautig weich sind und in der Regel nach jeder Vegetationsperiode absterben.“  Im Großen und Ganzen ist dieser Satz zwar richtig. Doch kann man anfangen zu überlegen: was ist mit solchen, die als Stauden gelten, obwohl  sie eine Zwiebel als Wurzel haben, mit jenen, die im Winter ihr Laub behalten oder die aus den Zweigen wieder austreiben? Dann gibt es viele Pflanzen, die in ihren Herkunftsländern mehrjährig sind, bei uns jedoch als Einjährige vertrieben werden. Viele der Balkon-und Kübelpflanzen, die uns die Gartencenter in einer bunten Farbpalette als Sommerblumen anbieten, sind in Wahrheit mehrjährig, wenn sie entsprechend überwintern können. Selbst die Geranien, die im Herbst in gigantischen Mengen entsorgt werden, könnte man bei entsprechender Pflege im nächsten Frühjahr wieder auf den Balkon stellen. Im Grunde ist es für den heimischen Gartenbesitzer auch nicht wichtig, wie der Begriff Staude nun genau definiert ist. Viel wichtiger ist die Vielfalt, die die Natur uns bietet. So gibt es Stauden für jede Gartenumgebung und jeden Geschmack. Beides in Einklang zu bringen ist eine große Herausforderung an den Gartenbesitzer. Bei der Bepflanzung eines Gartens kann man nur mit der Natur arbeiten, nicht gegen sie.  Mediterrane Pflanzen werden auf einem feuchten Grundstück an einem Gewässerrand verfaulen und Schattenpflanzen gedeihen in der prallen Sonne nicht. Wer sich jedoch ein paar Gedanken macht, wird schnell herausfinden, was für den eigenen Garten geeignet ist und außerdem dem eigenen Geschmack gerecht wird.   

Doch unsere Gärten sind nicht nur Lebensräume für uns, sondern auch für viele weitere sichtbare und weniger offensichtliche Bewohner. Wer seine Pflanzen mit Bedacht wählt, wird bald feststellen, wie viel mehr Leben in seinem Garten stattfindet.  Die bunten und gefüllten Blüten der Züchtungen in den Gartencentren bieten Insekten oftmals keine Nahrung. Im Gegensatz dazu locken altbewährte Stauden Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und andere Insekten an, die ihrerseits wiederum Beutetiere für andere sein können. Die Anzahl der Vögel wird zunehmen und auch Frösche, Kröten, Igel und andere können sich einfinden.


 Robuste heimische Pflanzen sind darüber hinaus weniger anfällig für Schädlinge und Krankheiten und überstehen mit größerer Wahrscheinlichkeit Phasen mit ungünstiger Witterung. So trägt eine umsichtige Bepflanzung  dazu bei, die Natur zu unterstützen. Gartengestaltung mit Stauden ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sie reduziert langfristig den Arbeitsaufwand und ist sparsamer. Und sie bietet dem Gartenbesitzer unzählige Möglichkeiten seiner Kreativität freien Lauf zu lassen.